Dienstag, 26. Oktober 2010

Tag 62


Die letzten Wochen gingen ganz schön rauf und runter. Nach einem Bilderbuch-Traumurlaub hat mir eine miese Mücke das Dengue-Fieber beschert. Das ist zwar keine schlimm bedrohliche Krankheit, aber ich musste mich mit Fieber und Schwindel und Ohnmacht und Rückenschmerzen und Magenschmerzen und Nierenschmerzen und Beinschmerzen und Ohrschmerzen und sogar Zwerchfellschmerzen rumschlagen. Und ganz viel Erschöpfung. Und Heimweh.

Bin sehr, sehr froh, dass ich jetzt einigermaßen über den Damm bin. Heute konnte ich zum ersten Mal wieder im Unterricht dabei sein, das hatte ich schon vermisst. Vor meiner Durchhänger-Woche hatten wir nämlich schon eine Woche Ferien. 
Die haben Gitti, Daniela und ich an einem Ort mit dem klangvollen Namen Playa Blanca verbracht. Weißer Strand.


Da haben wir für ein paar Tage so gelebt, wie man sich das immer ausmalt, wenn man von Karibik-Urlaub spricht. In einer bunten Hängematte aufwachen, über einem nur ein Palmenblätterdach, nur ein paar Schritte vom Meer entfernt. Erstmal ins türkisblaue Wasser springen oder einen Spaziergang im weichen Sand machen. Dann von der urigen Früchte-Frau, die all ihre Ware auf dem Kopf umherbalanciert, einen Obstsalat zum Frühstück kaufen und Papaya und Ananas und Mango genießen. Kaum andere Menschen da, denn die Touristenschiffe legen nur für ein paar Stündchen am Nachmittag an und die restliche Zeit teilt man sich sein Paradies nur mit vereinzelten Reisenden, die auch über Nacht bleiben und den Einheimischen, die einem Schmuck und Massagen verkaufen wollen. 

Wenn wir so dasaßen - lesen oder einfach nur die Seele baumeln lassen - hat nach einer Weile meistens eine von uns angefangen zu schreien "Oaaahhhh, guckt euch mal um wo wir hier SIND!". Eigentlich konnten wir unser Glück nicht fassen. Aber die ganze Zeit schreien und rumspringen wäre zu anstrengend geworden, deshalb haben wir zwischendurch auch entspannt ;) .

Hier der Ausblick von meiner Hängematte und noch ein paar andere Playa Blanca-Impressionen (inklusive Matsch-Spaziergang).
 






Dass mich gerade nach dieser wunderschönen Zeit das Dengue Classico beehrt hat, war sehr gemein, aber ich lass mir die Freude darüber, dass es so nah bei mir solche Orte wie diesen gibt, nicht rauben. Als ich den Strand entlanggeschlendert bin, hab ich mich einmal mehr gefragt, wie es mich hier hinverschlagen hat. Wer kommt schon auf Kolumbien?

Natürlich wird mit der Zeit auch immer klarer, was einem fehlt. Freunde und Familie. Sehr. Besonders meine Mädels. Deutsches Brot. Der SPIEGEL (den hab ich hier zwar überglücklich in einer Buchhandlung aufgestöbert aber die 30000 Pesos - 12 Euro - auf dem Preisschild haben mich dann wieder enteuphorisiert). Generell manchmal Sachen für den Kopf (Spanische Bücher sind für meinen Kopf noch zu viel und die Auswahl an englischen ist nicht besonders... äh... breit gefächert. Habe mir gestern tatsächlich Romeo and Juliet gekauft. Liebste Grüße an meinen LK, an dieser Stelle.)

Außerdem vermisse ich es manchmal, einfach so durch mein Viertel spazieren zu können (da sag noch einer, Oberbilk sei ein gefährliches Pflaster). Ziemlich nah an meinem zu Hause wurde vor zwei Wochen jemand erschossen. Ich habe an sich keine Angst hier, aber so selbstverständlich sicher wie in Deutschland ist es eben alles nicht. Wenn ich jetzt meine Reise für die großen Ferien (Dezember/Januar) plane, dann ist es schon manchmal schwierig, einschätzen zu können was leichtsinnig wäre in diesem Land und was übervorsichtig. Wünsche mir, dass am Schluss einfach genau das Richtige bei allen Planungen rauskommt und bin dankbar für jedes Gebet, dass irgendwer für mich betet.

Und für jeden Anruf und jede Nachricht. Ich mag es so sehr, ein bisschen mitzubekommen, wie das Leben in Deutschland (und Holland und Ungarn und sonstwo auf der Welt) so spielt. Freue mich auch total über alle, die mir völlig unerwarteterweise schreiben, dass sie das hier lesen. Da schreib ich gleich noch viel lieber. Aber für heute hör ich jetzt trotzdem mal auf. Ganz viel Liebe und Sonnenschein an Euch.

Montag, 4. Oktober 2010

Tag 40

Wow, 40 Tage, das klingt ja lang. Mittlerweile bin ich auch wirklich ganz in Kolumbien angekommen, ich träume von hier und mir wurde sogar erzählt, dass ich im Schlaf schon "Hola! Hola!" gerufen habe :D Mein Spanisch ist mittlerweile so viel besser als bei meiner Ankunft, darüber freu ich mich die ganze Zeit. Konnte für die anderen beiden Deutschen sogar schon übersetzen. Wir sind hier jetzt seid zwei Wochen nämlich zu dritt: Daniela und Gitti, beide 27, sind noch mit aufs Schulgelände gezogen, jetzt verständigen wir uns hier quasi viersprachig - spanisch, englisch, deutsch und bayrisch :)


Den Lehrern hier bringen wir auch Englisch und Deutsch bei (und dank Gitti ein bisschen bayrisch - so können wir uns bei jeder Mahlzeit darüber freuen, aus dem Mund eines Peruaners eine ulkige Version von "Brost! Dass de Guagl ned varosd!" zu hören) und mein Stundenplan für die Schüler steht jetzt für 2010 auch fest: Kann in fast allen Jahrgängen im Kunstunterricht dabei sein (ganz oft selber die Stunde gestalten und ansonsten beobachten, wie der Kunstunterricht hier normalerweise ist) und ab dieser Woche habe ich in der 7. Klasse meinen eigenen kleinen Englisch-Kurs mit Notengeben und allem, huiui. In der Zeit, die sonst noch übrig bleibt bin ich bei "meinen" Erstklässlern und mach da alles, was so anfällt (beim Schreiben und Rechnen lernen helfen, die Hausaufgaben in jedes Heft reinschreiben, sowas...).



Mein Geburtstag vor eineinhalb Wochen war wirklich besonders... Millionen spanische Geburtstagslieder und von den Kindern haben mir sogar einige kleine Geschenke mit in die Schule gebracht. Nach dem Unterricht gab's dann noch eine kleine Überraschungsfeier von den Lehrern und dass mich die Leute hier nach einem Monat schon so haben spüren lassen, wie sehr sie mich schätzen hat den Tag schon so, so gut gemacht! Nachmittag ging's dann noch in die Altstadt - den Sonnenuntergang genießen und Pizza holen - dachte mir, an meinem Geburtstag kann ich mir eine kleine Auszeit von meiner Abendessen-Koch-Woche (die ansonsten überraschend gut gelaufen ist) gönnen :)
Und dann habe ich abends noch alle Eure Nachrichten gelesen und mich SO gefreut, am liebsten hätte ich direkt jedem einzeln geantwortet :)

Ansonsten... Im karibischen Meer Backstreet-Boys-Lieder zu grölen macht Spaß. Festgetretene Kaugummis mit einem Messerchen vom Klassenraum-Boden abzuwetzen und tote Kakerlaken aufzufegen macht nicht ganz so viel Spaß, ist aber erstaunlicherweise auch nicht weiter dramatisch. Der irritierte Blick vom Taxifahrer, wenn man vom Stadtzentrum nach Hause will, ist jedes Mal aufs neue lustig (Gringas wollen sonst nie ins Armenviertel) und im Collectivo (einem ruckeligen, vollgestopften Sammeltaxi) durch San Francisco (besagtes Viertel, nicht die US-Metropole) zu rattern ist eine Erfahrung für sich. Mit 20 Jahren (was meiner Meinung nach unfassbar alt klingt) auf einmal wieder ganz feste Nach-Hause-komm-Uhrzeiten etc. zu haben ist erstmal ungewohnt, aber ok (weil man weiß, dass es die Regeln nur gibt, weil die Leute sich um uns sorgen). Um 22:08 Uhr noch am Computer zu sein um diesen Blogeintrag zu verfassen ist unklug, wenn man morgen um 04.40 Uhr aufsteht.

Deshalb: Genug für heute. Allerliebste Grüße aus San Francisco ;)